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Alt 23.12.2005, 23:31
Benutzerbild von oliver
oliver oliver ist offline
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oliver Stammes Mitglied
Standard Pfeil & Bogen in Bhutan

In Bhutan, einem kleinen Königreich inmitten des Himalaya zwischen der kargen, kalten Hochebene Tibets und der fruchtbaren, heißen nordindischen Tiefebene, ist Bogenschießen die Nationalsportart.

Traditionell werden die Bogenturniere nur von Männern ausgetragen, aber durch die behutsame, wenn auch immer schneller werdende Öffnung des Landes für westliche Einflüsse gibt es inzwischen auch die eine oder andere Frau, die mit Pfeil und Bogen ihr Glück versucht. Bei der letzten Olympiade war sogar eine Bhutanesin dabei.

Hinsichtlich der Bögen gibt es keine große Variation: 2 Bambus“latten“, in der Mitte zusammengesteckt und mit Draht oder ähnlichem umwickelt, und fertig ist der Bogen. Allerdings wird auf die Herkunft des Bambus geachtet, es gibt gute und schlechte Herkünfte. Das hängt wohl u.a. mit dem Abstand der Zwischenringe zusammen. Das gleiche gilt für die Pfeile, auch sie sind aus Bambus und entsprechend leicht.
So simpel die Bögen auch aufgebaut sind- sie haben es in sich.

Wie läuft so ein Bogenturnier also ab?
Es bilden sich 2 Teams, meist so um die 6-10 Schützen pro Team. Die 2 Mannschaften stellen sich auf einer Seite der Schießbahn auf, und dann wird abwechselnd geschossen. Die Distanz ist nicht 30 m, nicht 50 m, nein, 120 m! Ok, dann wird das Ziel eben entsprechend groß sein, möchte man denken. Ist es nicht. Ein weiß bemaltes Holzbrett mit bunten Ringen drauf (siehe Foto). Dementsprechend gering ist auch die Trefferzahl, wenn auch die Pfeile in erstaunlich kleinem Radius um das Brett herum landen.
Aber wenn mal ein Pfeil trifft, evtl. sogar noch in die Ringe, dann ist die Freude riesengroß! Es wird geschrien, und die Teammitglieder des Erfolgsschützen führen vor dem Brett einen traditionellen Tanz (erst im Kreis, dann in einer Reihe vor dem Ziel) auf und singen überlieferte Lieder dazu ( Foto). Der Schütze darf sich ein farbiges Band an den Gürtel hängen, bis ringsherum die Bändel wie ein Röckchen flattern.
Warum die Distanz so groß ist erkläre ich mir laienhaft damit, dass sich das Faible der Bhutanesen fürs Bogenschiessen aus der kriegerischen Vergangenheit des Landes heraus entwickelte. Immer wieder fielen tibetische Horden plündernd ins Land ein. Im 17. Jhdt wurden deshalb (?) an strategisch günstigen Orten die ca. 20 Dzongs im Land gebaut, gewaltige Klosterfestungen, die heute jeweils Mönche und die Verwaltung der 21 Dzongkhags (Distrikte) beherbergen. Religiöses und Weltliches gehen Hand in Hand.
Und was liegt näher, als dass man Angreifer von den sicheren Dzongmauern aus mit einem Pfeilhagel überschüttet?

Die Schützen, die ihren Pfeil abgeschossen haben, können sich schon mal ans andere Ende der Schussbahn begeben. Von dort wird dann nämlich in die andere Richtung geschossen, es gibt nämlich an jedem Ende der Bahn ein Zielbrett. Rumstehen ist langweilig, cool will man ja auch sein, deshalb gibt es manche Teilnehmer, die sich direkt neben das Ziel stellen und auf die heransausenden Pfeile warten. Da bekommt man als Zuschauer echt die Krise. Natürlich fliegen die leichten Bambuspfeile nicht sooo schnell und sind beim Anflug erkennbar, natürlich sind die Leute erfahren und können mit einem schnellen Schritt auf die Seite ausweichen, so dass die Pfeile wenige cm neben ihnen vorbeizischen, aber trotzdem- jedes Jahr gibt es Verletzte und auch Tote.
Vielleicht kommt dieses Verhalten von früher, als es noch gestattet war, die Pfeile des gegnerischen Teams mit einem kurzen Schwenk des Ghos, dieser traditionellen Männerkleidung, die wie ein hochgeraffter Bademantel aussieht, vom Ziel abzulenken.

Aber noch andere Ablenkungsmittel werden eingesetzt. Auf dem Foto mit den 2 Männern sind diese gerade dabei, den gegnerischen Schützen mit Spott und Hohn (entsprechend laut, 120 m Entfernung) aus dem Konzept zu bringen. Der nächste Pfeil rammte sich übrigens zwischen dem Ziel und dem Mann im grauen Gho in die Erde.
Etwas ästhetischer sind Gruppen lokaler weiblicher Schönheiten, das Pendant zu den amerikanischen Cheerleadern sozusagen, die ihr Team unterstützen, indem sie das gegnerische Team entweder verspotten oder ihm schöne Augen machen und anzügliche Bemerkungen zurufen. Je nachdem, was besser wirkt.

Ein Turnier kann einen ganzen Tag dauern oder sogar mehrere Tage.
Wie in vielen anderen Lebensbereichen werden die westlichen Einflüsse stärker und stärker. Inzwischen gibt es mehr Turniere mit modernen Compound- als mit traditionellen Bambusbögen. Die Trefferquote ist entsprechend höher, sowohl auf der Zielscheibe wie auch auf Menschen. Die Pfeile haben eine höhere Geschwindigkeit und sind schwerer, deshalb kann man ihnen schlechter ausweichen und sie dringen tiefer in den Körper ein, wenn man von ihnen getroffen wird. Weitere Konsequenz: Gute Turnierergebnisse hängen immer weniger vom Schützen ab als von seinem sozialen Rang und somit Reichtum. Viel Geld – super Bogen – gute Ergebnisse. Nur Reiche können es sich leisten, aus den USA einen Bogen kommen zu lassen.

Zum Schluss noch etwas anderes: Bhutan ist das Land, dessen König sagt, dass ihm nicht das „gross national product“ (Bruttoinlandsprodukt) am Herzen liegt, sondern das „gross national happiness“ (Bruttoinlandsglück). Seine Majestät Jigme Singye Wangchuk handelt auch tatsächlich danach und ist deshalb im In- und Ausland ein angesehener Herrscher.

-Oliver
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