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Alt 03.09.2004, 10:41
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In der Zwischenzeit war eine trügerische Ruhe in das Heimatdorf der beiden Entführten eingezogen. Eine Ruhe, die durch die Niedergeschlagenheit hervorgerufen wurde, in Kombination mit der unterschwelligen Siegesfreude gegen die geflügelten Bestien zu einem gespentischem Leichentuch wurde, welches sich leise und dunkel über das Dorf legte...

Der Revolvermann saß mit gekreuzten Beinen in einem Kreis mit dem Dorfältesten, dem Schmid und der Kräuterfrau um ein leise knackendes und flackerndes Feuer dessen Schein die Gesichtszüge des hageren und hochgewachsenen Mannes gespenstisch Zucken und Flackern ließ. In der linken Hand, zwischen Zeige- und Mittelfinger glomm eine selbst gedrehte Zigarette die in Abständen an die Lippen des Mannes geführt wurde und hell aufleuchtete wenn er daran zog. Sie saßen hier zum Palaver, was sie nun machen sollten. Die Bestien waren vertrieben und doch musste das Dorf den Verlust der Geschister beklagen. Man konnte nicht sagen, ob sie noch lebten oder ob ihre blicklosen Augen bereits in die unendliche Weite zu den Sternen gewand waren.

"Man erzählt sich, dass diese Bestien auf einem großen Berg, stetig umgeben von grauen, schweren Wolken aus welchen Blitze zuckten, hausten. Der Berg soll immer wieder Feuer spucken, oft können wir hier in der Ferne in der Nacht das Leuchten der großen Blitze und des Feuers sehen, das in den Himmel geschleudert wurde." begann der Dorfälteste mit zitternder und krächzender Stimme.
"Wie viele Räder es bis dort hin sind, können wir euch nicht sagen. Vielleicht haben wir es einmal gewusst, aber ihr wisst selbst das sich die Welt weitergedreht hatte."
Man unterhielt sich in der uralten Hochsprache, der Sprache der Revolvermänner, einer Gesellschaft die es schon lange nicht mehr gab. In der Tat, die Welt hatte sich weitergedreht.

"Ich werde euch nicht fragen, ob ihr meine Hilfe benötigt," erwiederte der Revolvermann mit emotionsloser Stimme. "Ich werde euch zwei Fragen stellen, beantwortet sie wahrheitsgemäß, bei euren Vätern. Danach, Sais, könnt ihr mir eine Frage stellen." Roland folgte dem Ritus seiner Väter. Er musste denen Helfen, die ihn baten, musste die Schwachen und Hilflosen schützen...
Der Schmied zuckte leicht zusammen, als er die kalten, blauen Augen des Mannes auf sich spürte als er ihn mussterte. Die anderen beiden zeigten keine Reaktion.

"Sai," begann der Dorfälteste dessen Name Argile war. "Wir werden wahrheitsgemäß antworten und das Gesicht unserer Väter ehren." Er blickte kurz zu den anderen beiden, welche sich beeilten diesem zuzustimmen und nickten fleißig.
Roland nickte kurz, der Blick war auf das Feuer gerichtet und doch schien es als würde er weit in die Ferne starren. Lange Zeit sagte er nichts, lange Zeit hob er die Zigarette nicht an die Lippen und als die absterbende Glut seine Knöcheln erreichte warf er sie in das Feuer.
Seine Gedanken schweiften zu dem Dorf in dem er sich befand. Calla Humphrey nannten die Bewohner es. Es war ein fruchtbares Land, sanfte Hügel säumten verspielte Flüsse und weite, dunkle Wälder spendeten milden Schatten und Schutz. Es war reich an Tieren, wenige Mutationen nur mehr, das Erbgut schien sich selbst zu heilen, die Felder stießen gute Ernten ab und man sah den Menschen hier an, das es ihnen gut ging. Sie waren gut genährt, kräftig und gesund.

"Die Prohezeiung, Sai Argile, die ihr erzählt habt, spricht auch von einem Wassergeist. Einem Dämon um genau zu sein. Erzählt mir mehr von ihr..." hob er dann an, den Blick wieder starr auf den Dorfältesten gerichtet. "Es ist wichtig, das ihr mir alle Einzelheiten erzählt, derer ihr gewahr werdet."

Der Angesprochene runzelte kurz die Stirn, als er die Augenbrauen in Falten legte. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet.
"Nun, Sai... wir wissen nur wenig über sie. Es gibt sie seit undenklichen Zeiten, immer hatte sie in den Flüssen und Bächen der Calla gehaust, hatte so manchen Fischer von einem schweren Unwetter errettet. Einst, so sagt man sich, sei sie gut zu uns Menschen gewesen, noch bevor die Alten überhaupt existierten. Könnt ihr euch vorstellen welch unvorstellbar lange Zeit das ist?" der Greis schüttelte leicht den Kopf, selbst ungläubig. "Doch heute ist das anders. Sie beschützt ihr Reich... sie beschützt es vor uns, vor den Menschen. Immer wieder finden wir die Leichen von jungen Männern die an das Ufer gespült wurden. Ihre Münder sind immer zu schrecklichen, lautlosen Schreien verzerrt. Wir sehen sie immer seltener. Und, jene Prohpezeiung besagte auch, wenn dieser Wassergeist uns verlassen würde, würden jene Vögel kommen um unsere Seelen mit Feuer zu reinigen..."

Der Revolvermann verstand nur zu gut. Schon öfters hatte er Elementargeister gesehen, die einst den Menschen gut gewogen waren, nun aber sich von diesen Abwandten und auch töteten, so sie die Möglichkeit dazu hatten. War es die Technokratie der Alten gewesen, die den Naturgeistern zuwieder war? War es die Verschmutzung? Roland vermutete es. Die Alten hatten es verstanden die Welt auszunutzen, bei allen Wundern die sie hervorgebracht hatten, aber das hatte ihnen nichts gebracht. Die Welt hatte sich weitergedreht und mit ihr waren viele Lebenwesen Verrückt geworden...
Argile sah zu den beiden anderen und der Schmied nickte. Die Kräuterfrau, eingewickelt in eine bunte Steppdecke hob nun zum ersten Mal an zu sprechen. Der Revolvermann war erstaunt über die weiche und warme Stimme der alten Frau, die sicher schon über 80 Jahre zählen mochte.

"Sai, die Prohpezeiung, so wie wir sie kennen, ist heute nicht geschehen. Die Wasserfrau ist verschwunden, aye, die Vögel sind gekommen und ihnen folgte das Feuer. Und doch habt ihr sie vertrieben, sie verjagt. Sai, hört mich an, ich bitte euch, das Gefüge der Welt wandelt sich. Die Kräfte verlagern sich seit die Balken gebrochen sind. Nichts ist mehr im Gleichgewicht. Etwas geschieht, das spüre ich ganz deutlich in meinen alten Knochen."
"Altes Mütterchen," antwortete der Revolvermann ehrerbietig, "ich glaube euch und auch euch", bei seinen letzten Worten nickte er in Richtung des Alten. "Glaubt ihr, das die Vögel wieder kommen werden?"

Gespannt beugte er sich nach vorne, das Feuer erhellte seine Züge deutlicher. Von dieser Frage hin nun alles ab.

Der Schmied räusperte sich leise, kurz schweifte sein Blick nervös zu der Kräuterfrau, dann antwortete er: "Aye, Revolvermann, das glauben wir. Sie haben zwei unserer Kinder entführt, starke und mutige Kinder. Wer weiß, was sie mit ihnen vorhaben, wer weiß, was sie ihnen antun. Aber, beim Gesicht meines Vaters, ich glaube, das die Vögel wieder kommen werden... und wenn es soweit ist, wird es Feuer vom Himmel regnen und unsere Felder werden in Flamme stehen, die Erde wird sich auftun um die Fliehenden zu verschlingen und zu vernichten. Was sie mit unseren Kindern vor haben, das wissen wir nicht, können es nicht einmal erahnen und doch glauben wir, das sie etwas mit der ganzen Geschichte zu tun haben. Das sie etwas besonderes sind..." er schien kurz zu zögern... wählte dann seine folgenden Worte mit bedacht: "Beide Kinder wurden in einer sturmgepeitschten Nacht geboren und ein mächtiger Blitz spaltete die große Eiche auf dem Hügel hinter dem Dorf. Beide hatten eine weiße Locke an ihrem Kopf..."

Der Revolvermann nickte kurz, auch wenn er innerlich vor Aufregung zitterte. 'Die Gezeichneten' zuckte ihm der Gedanke brennend heiß durch den Kopf. Ausserlich blieb er ruhig: "Stellt nun eure Frage, Sais und wählt eure Worte mit bedacht."

"Rettet die Kinder und vernichtet diese Gefahr für unsere Calla, Sai und bringt die Wasserfrau wieder zurück. Wenn die Prohpezeiung nicht eintritt so wird vielleicht alles wieder gut..." Die anderen Stimmten den Worten des Schmiedes mit Kopfnicken zu.

Der hochgewachsene Revolvermann nickte nur, erhob sich dann mit einem leisen Ächzen, tippte sich kurz mit der linken Hand an den Hut und wandte sich um und schritt mit langen Schritten den Weg in die Richtung, die sie ihm gewisen hatten.

Es galt Revolvermanarbeit zu verreichten...
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Pfeif nicht, wenn du pisst! - Hagbard Celine
23 Skiddoo

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